Blogserie von Dipl. Ing. Siegfried Neubauer
„To be or not to be – oder die letzte Chance, aus einem Kranken und einem Amputierten einen Gesunden zu machen. Ein spannender Tatsachenbericht über Organisationsentwicklung, Changekommunikation und Führung und was das alles mit Macht und Glück zu tun hat.“
Teil 1:
Prolog „Hilfe, sie planen einen Umzug“
Es war an einem nebligen Novembertag in Wien und ich verbrachte einen der seltenen Tage im Büro um meine Korrespondenz zu erledigen. Ich wollte gerade einen Schluck Kaffee nehmen, als mein Telefon klingelte.
Mein lieber Freund Hr. F. aus Deutschland war dran, mit dem ich schon viele Jahre in Projekten zusammenarbeiten durfte. Er war gerade neu in einer europaweiten Führungsposition und u.a. verantwortlich für die Restrukturierung einiger Werke in Europa. Wir plauderten eine wenig und dann kam er zum Punkt. „Du, wir sind gerade dabei zwei Produktionsstandorte, die nahe beieinanderliegen, zu fusionieren. Die Gründe dafür sind vielfältig und wir sollten uns dazu mal treffen, denn ich mache mir große Sorgen“. Das interessierte mich natürlich und ich fragte warum er sich Sorgen machte. „Die zuständigen Personen planen keine Fusion im ganzheitlichen Sinne, sie planen lediglich einen Umzug!“ Aha, dachte ich.
Nach ein paar weiteren Telefonaten und einem umfangreichen Treffen vor Ort mit mehreren Interviews u.a. mit dem Europachef und dem designierten Werkleiter für das fusionierte Werk, ein Hr. P. kristallisierte sich für mich folgendes Bild heraus:
Die beiden Werke 1 und 2 waren sehr unterschiedliche Produktionsstandorte, obwohl zum selben Konzern gehörend und nur wenige Kilometer entfernt. Dies war einerseits historisch bedingt und andererseits bedingt durch die unterschiedliche Produktpalette mit ihren technischen Anforderungen sowie die wirtschaftliche Situation. Das Werk 1 sollte durch die Fusion in das Werk 2 integriert werden und beide hatten einen starken Betriebsrat.
Das Werk 1 produzierte große Teile für große Anlagen in kleineren Losgrößen und hatte eine gesicherte Auftragslage für die nächsten 5 Jahre. Sie verwendeten eine innovative und anspruchsvolle Technologie, auf die sie sehr stolz waren. Leider hatte sie die dazugehörigen Produktionsprozesse trotz einer Automatisierungsstrategie nicht im Griff mit der Folge, nur mit hohem Personaleinsatz und viel „handwerklichem Geschick“ die Kundenanforderungen erfüllen zu können. Das Werk schrieb daher schon länger tiefrote Zahlen. Zusätzlich war die Führungsmannschaft bunt zusammengewürfelt und hatte sich in den letzten Jahren vollständig verändert. Anders ausgedrückt, der Zustand wurde von aussen als gewerblich geprägt und chaotisch beschrieben, mit Führungs-, Disziplin- und Motivationsproblemen.
Das Werk 2 produzierte genau die gleichen Teile, nur viel kleiner, für kleinere Anlagen und in hohen Stückzahlen, jedoch mit anderer Technologie. Der Standort war es gewohnt, kostengünstige Produkte hoch automatisiert in hoher Stückzahl, logistisch getaktet und mit strikten Qualitätsanforderungen herzustellen. Leider lief ein Großauftrag schrittweise aus und konnte nicht kompensiert werden. Man machte nur mehr rund den halben Umsatz als vor 5 Jahren und der Trend zeigte klar nach unten. Die Schließung dieses Standortes war schon mehrfach in der Schwebe und mehrere Sozialpläne wurden schon abgewickelt. Entsprechend deprimiert war die Stimmung. Gleichzeitig stand man der Zusammenlegung eher offen gegenüber, da damit ein Commitment der Europazentrale für den Standort verbunden war.
Beide Werke waren also wirtschaftlich angeschlagen und hatten völlig unterschiedliche Kulturen. Die im Werk 1 sagten „Jetzt müssen wir zu denen ins Werk 2 und bringen denen unsere gute Auftragslage mit!“ und die im Werk 2 sagten „Um Himmels willen, jetzt kommen die Handwerker, die haben doch keine Ahnung von automatisierten Prozessen!“
Für mich war klar, man versuchte mit der Fusion aus einem Kranken und einem Amputierten einen Gesunden zu machen. Das war natürlich sehr herausfordernd und ich verstand die Sorge, dass dies mit einem „Umzug“ von Maschinen nicht getan sein wird.
Wie ging es weiter? Hat man es geschafft? Was hat man alles getan, um diese „Mission impossible“ vielleicht doch zu einem guten Ende zu bringen? Bleiben Sie dran…. Lesen Sie weiter im nächsten Teil der Storytelling Serie von Siegfried Neubauer 😉