Change Management – es braucht einen Energieschub

„To be or not to be – oder die letzte Chance zweier Produktionsstandorte durch eine Fusion wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ein spannender Tatsachenbericht über Organisationsentwicklung, Change Kommunikation und Führung und was das alles mit Glück zu tun hat.“

Teil 8: „Es braucht einen Energieschub – die Business Mission als gemeinsame Klammer“

Bevor wir zum angekündigten Auswahlverfahren der neuen Führungsebene Gruppenleiter kommen, möchte ich einen Sidestep machen. Nicht ganz unerwartet ist die Stimmung durch die anstrengenden Organisationsworkshops und der Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat auf ein niedriges Niveau gesunken. Die Projektenergie war auf einem Tiefpunkt und das Projekt brauchte dringend einen starken positiven Impuls. Wir brauchten also wieder etwas, das dem Projekt einen Schub gab. Etwas, das alle wieder auf ein gemeinsames Ziel ausrichtet und die Kräfte wieder bündelt. Es war ohnehin geplant, ein gemeinsames Zielbild für das Werk zu entwickeln und der Zeitpunkt dafür war jetzt goldrichtig.

Das Setup – einfach bis schwierig

Es galt im Vorfeld u.a. folgende Fragen zu klären: „1.) Was brauchen wir von der Zentrale? 2.) Wer soll aller daran mitwirken und 3.) In welcher Struktur wollen wir das Zielbild erarbeiten?“

Die erste Frage war relativ einfach – wir brauchten Leitplanken der Europachefs. Diese Leitplanken waren zum einen in den strategischen Überlegungen enthalten, was man sich von dem Werk erwartet. Zum anderen aber auch persönliche Erwartungen der Chef-Chefs. Erwartungen hinsichtlich Kultur, Verhalten und Einstellungen der Menschen. Diese Leitplanken holten wir im Vorfeld in einem Kurzworkshop mit den Europachefs ein und brachten sie in den Zielbild-Prozess mit ein.

Die zweite Frage wurde mehr diskutiert. Es gab ja schon die erste Führungsebene des Werkes nach dem Werkleiter – diese Manager waren als Teilnehmer gesetzt. Wir entschieden uns, auch die beiden Fertigungsleiter (einer je Value Stream) miteinzubeziehen, da sie die Verbindungsoffiziere von der Managementebene in die Produktion waren. Darüber hinaus konnten wir Vertreter aus den Bereichen Strategie und Sales aus der Zentrale gewinnen, bei diesem Prozess mitzumachen. Der Betriebsrat wurde nicht eingeladen.

Die dritte Frage war deutlich schwieriger, da man sich unter einem Zielbild ja viel vorstellen konnte. Ist das was Graphisches? Oder nur Text? Oder beides? Wir hatten dazu eine klare Meinung und vertraten die Ansicht, dass wir nicht nur über ein Zielbild in 5 Jahren sprechen dürfen, sondern über den generellen Zweck der Organisation. Also über den Auftrag, den das Werk zu erfüllen hat, um seinen Platz im Konzern klar zu machen. Nachdem man sich darauf geeinigt hatte, dass man dies wolle, stellten wir die dafür geeignete Struktur vor – die Business Mission nach Peter Drucker.

 

Die Business Mission – und was ein großer Managementdenker darunter versteht

Peter Drucker formulierte schon früh sehr klar seine Vorstellungen darüber, auf welchen drei Säulen die Mission / der Auftrag einer Organisation beruhen muss:

Säule 1: Klarheit über den „Bedarf – Was benötigt der Markt und wofür bezahlt uns der Kunde?“ Damit sind nicht nur die Kundenbedürfnisse externer Kunden gemeint, sondern selbstverständlich auch die der internen Kunden, die es bei einer bereichs-übergreifenden Zusammenarbeit immer gibt.

Säule 2: Klarheit über unser „Können – Worin besteht unsere Überlegenheit und was können wir besser als andere?“ Hier geht es um eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten und den Kernkompetenzen in einer Organisation.

Säule 3: Klarheit über unseren „Glauben – Woher kommt eigentlich unsere Kraft und woran glauben wir?“ Damit ist gemeint, sich Gedanken zu machen, warum man täglich in der Früh aufsteht, in das Unternehmen geht und sich dort zu 100% für Unternehmensziele einsetzt.

Diskutiert man diese Fragen gezielt, so beginnt man auch zu verstehen, welchen Nutzen man stiftet, welchen Sinn seine Arbeit hat und aus welchen Quellen man seinen Selbstrespekt schöpfen kann.

Der Workshop – von Anfang an eine runde Sache

Der 1-tägige Workshop selbst ging dann sehr zügig voran. Zuerst wurden nochmals die Leitplanken der Europachefs und die Strategie für das Werk präsentiert. Das wurde nicht mehr diskutiert. Nach einem kurzen Brainstorming hat man dann rasch damit begonnen, zu den drei Säulen jeweils
4-6 Kernsätze zu formulieren, welche die Fragen von Peter Drucker aus der Sicht des Werkes beantworteten. Es wurde sehr eifrig diskutiert und gearbeitet, die Stimmung stieg zusehends.

Wir legten auch großen Wert auf den Einsatz der Business Mission als Managementwerkzeug, damit das Ergebnis nicht in einer Schublade verschwindet. Wir entwickelten in dem Workshop also auch viele Kommunikationswege und Diskussionsmöglichkeiten für Management und Mitarbeiter sowie Verknüpfungen zu anderen Werkzeugen wie Strategie und Management by Objectives.

Am Ende des Workshops kamen noch ein zwei Europachefs dazu und man präsentierte stolz das Ergebnis, welches bei allen auf große Zustimmung stieß.  Dabei hat sich wieder gezeigt, dass es immens wichtig ist, solche Prozesse mit der Führungsmannschaft zu durchlaufen und sie mitwirken zu lassen. Von der ersten Minute an war es deutlich spürbar,  wie die Stimmung stieg und die Köpfe nach oben gingen. Einer der Fertigungsleiter sagte am Ende (Originalzitat): „Das war echt klasse heute. Ich habe so richtig Lust bekommen, das alles in die Produktion zu tragen und umzusetzen“.

Dazu benötigte er und seine Kollegen aber noch die Gruppenleiter, die es erst auszuwählen und auszubilden galt.

Dazu aber mehr beim nächsten Mal, bleiben Sie dran 🙂

 

Dipl. Ing. Siegfried Neubauer ist Experte bei NeuKurs. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater und wurde vom Institut für Systemische Beratung (ISB) in Wiesloch / Deutschland zertifiziert. Er ist Gründer (2008) der VIST – Vienna International School of Thought, einem international ausgerichteten Managementausbildungsinstitut.

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