„To be or not to be – oder die letzte Chance zweier Produktionsstandorte durch eine Fusion wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ein spannender Tatsachenbericht über Organisationsentwicklung, Change Kommunikation und Führung und was das alles mit Glück zu tun hat.“
Teil 10: „Die Standortbestimmung“
Wie im letzten Blog beschrieben, hatte man sich auf etwa 30 Kandidaten geeinigt, die man in der Standortbestimmung sehen will. Diese 30 Kandidaten hatten im Vorfeld auch ihr Interesse zu diesem Schritt bekundet. Ergänzend dazu gab es im Vorfeld auch Gespräche mit Wunschkandidaten, die aber „kein“ Interesse signalisierten, dabei mitzumachen. Als dann die 30 Kandidaten aber feststanden und diese publik wurden, änderten ein paar ihre Meinung und ergänzten dann noch den Pool an Kandidaten. Am Ende hatten wir 35 Kandidaten für eine Standortbestimmung.
Kommunikation im Vorfeld
Der nächste Schritt war zum einen ein Konzept für diese Standortbestimmung zu entwickeln und gleichzeitig auch so offen und klar wie möglich in die Organisation hinein zu kommunizieren, was jetzt im Projekt passiert und warum.
Gemeinsam mit dem BR wurde festgelegt, dass es zwei Veranstaltungen für Mitarbeiter geben wird. Zwei deshalb, weil es zum einen Schichtbetrieb gab und zum anderen es gerade Urlaubszeit war und wir so fast alle erreichen konnten. Ziel war es, die Standortbestimmung mit der neuen Organisationsform zu verknüpfen, die Kandidaten vorzustellen und einen Überblick über die Standortbestimmung zu geben. Es wurde klar und offen kommuniziert, dass alle Kandidaten die gleichen Chancen hatten, dass sie viel daraus mitnehmen können, alle Feedback bekommen und dass die, die ausgewählt werden, ein umfassendes Ausbildungsprogramm durchlaufen werden. Schlüsselbotschaft war „wir sind nicht auf der Suche, wer jetzt der perfekte Gruppenleiter ist, sondern wer die Rolle in naher Zukunft im Wesentlichen ausfüllen kann“.
Akkordiertes Konzept für die Standortbestimmung
Parallel dazu begannen wir mit dem Kunden das Konzept zu erarbeiten. Das Setting war so geplant, dass etwa 2 Wochen nach den Kommunikationsveranstaltungen die erste Standortbestimmung für eine Gruppe von 8-10 Kandidaten in 2 parallel laufenden Gruppen einen Tag dauern wird. Wichtig war auch, dass die Standortbestimmung räumlich nicht in der Nähe der Arbeitsplätze der Kandidaten stattfindet. So hatten die Kandidaten Zeit sich ein wenig vorzubereiten und wir schafften es, alle 35 Kandidaten in vier Tagen durchzuschleusen.
Das Konzept musste folgendes leisten:
- Herausfinden, welche Kandidaten überhaupt in Frage kommen
- Messbar machen an der Führung (Führungskompetenzen aus Stärkenfilter, Integrität, Zuhören, Konflikte, Organisieren, …)
- Offenheit und Objektivität in der Auswahl / Beurteilung
- Potenzialabschätzung, wo brauchen sie wie viel Unterstützung.
Ein Grundelement zu dieser Zielerreichung waren bestimmte Formate, in denen die Kandidaten in verschiedene Führungssituationen gebracht wurden und dabei ihre Reaktion beobachtet und beurteilt werden konnte. Als Formate wählten wir:
- 7 Formate die durch die Teilnehmer zu erledigen waren: 1. Selbstpräsentation, 2. Selbsteinschätzung, 3. Führungsgespräch / Rollenspiel, 4. Schichteröffnungsgespräch, 5. Präsentation über Produktionssteuerung, 6. Postkorbübung, 7. Abschlussreflexion.
- 1 Format welches durch Führungskräfte zu erledigen war: 8. Fremdeinschätzung des Kandidaten durch ihre Führungskraft und
- 1 Format auf wissenschaftlicher Basis: 9. Wissenschaftlicher Test
Speziell die ersten 7 Formate reicherten wir mit sehr vielen Fragen und Problemstellungen direkt aus dem Arbeitsalltag der Kandidaten an, um es so praxisnah wie möglich zu machen.
Ein weiteres Grundelement bei der Standortbestimmung waren unterschiedliche Rollen jener Personen, welche die Kandidaten begleiteten. Die Rollen waren Moderator, Beobachter und stille Beobachter.
Es gab uns externe Moderatoren (je ein Moderator in einer Gruppe) und es gab zusätzliche Beobachter und Fragesteller. Je Gruppe wurden drei interne Führungskräfte, teilweise aus ganz anderen Bereichen, eingeladen, die Kandidaten zu beobachten, zu beurteilen und ihre Meinung abzugeben. Das war für die Kandidaten nicht immer angenehm, aber am Ende für alle ok. Zusätzlich zu den Beobachtern gab es noch „stille Beobachter“. Grund war der, dass der BR für diese Standortbestimmung erst gewonnen werden konnte, nachdem auch er eine „Rolle“ bekam. So waren – wie bei einer Wahl internationale OECD Beobachter die Korrektheit des Wahlablaufes beurteilen – in jeder Gruppe auch zwei BR anwesend, hatten aber weder inhaltlich noch prozessual eine Rolle. Sie waren einfach nur da.
Am Vortag des ersten Tages wurden alle Beobachter in den Ablauf der Standortbestimmung eingeschult. Sie lernten den Prozess kennen, die Fragestellungen, den Beurteilungsmodus und wurden auch in Rollenspielen geschult „richtig“ zu beobachten und nicht zu „werten“. Keine ganz leichte Aufgabe, selbst mit Erfahrung.
Ergebnis und Feedback
Etwa 10 Tage nach der letzten Durchführung waren wir mit der Auswertung der Standortbestimmung fertig und es gab a) ein klares Ranking auf Grund von Punkten und b) ein persönliches Dossier mit Stärken/Schwächen, Grafiken und Interpretationen für jeden Kandidaten. Diese Feedbackgespräche waren sehr spannend, aber davon mehr im nächsten Blog – bleiben Sie dran 🙂
Dipl. Ing. Siegfried Neubauer ist Experte bei NeuKurs. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater und wurde vom Institut für Systemische Beratung (ISB) in Wiesloch/Deutschland zertifiziert. Er ist Gründer (2008) der VIST – Vienna International School of Thought, einem international ausgerichteten Managementausbildungsinstitut.
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