Change Management – Leitplanken für Veränderungen

Change Management Siegfried Neubauer Blogserie

Blogserie von Dipl. Ing. Siegfried Neubauer

„To be or not to be – oder die letzte Chance zweier Produktionsstandorte durch eine Fusion wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ein spannender Tatsachenbericht über Organisationsentwicklung, Change Management, Kommunikation und Führung und was das alles mit Glück zu tun hat.“

 

Teil 4:
„Eine neue Organisation? Bitte sehr ……“

Da waren wir also – wir trafen uns erstmalig in einem schönen Hotel und starteten mit einem Organisationsworkshop. Die Vorbereitungen dazu wurden von mir nicht mit dem designierten Werkleiter, sondern mit Herrn F. durchgeführt, was insofern spannend war, da die neue Werksorganisation ja vom neuen Werkleiter zu vertreten war. Im Zuge der Vorbereitungen entwickelten wir aber eine gewisse Rolle für den Werksleiter, sodass dieser immer Flagge zeigen konnte und klar sichtbar für alle den Lead hatte. Ich glaube das hat für ihn auch gut gepasst und er war uns dankbar für diese Vorarbeiten.

 

Und was bitte ist nun eine neue Organisation?

Was verstand man denn nun unter einer „neuen“ Organisation und gab es schon Vorarbeiten? Zum einen war klar, dass es ein neues Managementteam geben wird nach dem Motto „aus 2 mach 1“ – da war die Entscheidung gefallen. Es war eine bunte Mischung von Führungskräften aus beiden Werken, die man für klassische Funktionen wie Logistik, Produktion, Qualität, Controlling oder Human Resources ausgewählt hat. Nur: diese Zusammensetzung war noch nicht offiziell! Es kannten sich zwar alle, wenn auch teilweise nur vom Sehen, aber in dieser neuen Rolle und Funktion hat man noch nie zusammengearbeitet. Dementsprechend vorsichtig und zurückhaltend war man auch am Beginn im Umgang miteinander und eine zentrale Frage war für alle: „Wann wird die neue Führungsmannschaft offiziell vorgestellt?“

Zum anderen hatte man sich entschieden, die Fertigung in zwei Produktionslinien am Wertstrom auszurichten und nannte dies „die Valuestream Organisation“. In so einer stark prozessorientierten Branche ist das auch sehr üblich, die einzelnen „wertsteigernden und wertschöpfenden“ Aktivitäten einer Produktreihe direkt hintereinander wie auf einer Perlenkette aufzufädeln. Vorne kommt das Rohmaterial rein und am Ende der Kette kommt das fertige Produkt dieser Produktreihe raus. Das machte auch insofern Sinn, da Kräfte und Know-how in den spezifischen Valuestreams gebündelt wurden. Gleichzeitig entstand aber die Herausforderung, dass Querschnittsfunktionen wie z.B. Logistik, Qualität und Instandhaltung teilweise direkt in jeweils einem Valuestream vertreten sein mussten, sie gleichzeitig aber für das gesamte Werk Aufgaben zu erfüllen hatten. Das ist eine klassische Frage und Problematik der Matrixorganisation und erforderte klare Regeln, Verantwortlichkeiten und richtiges Verhalten. In diesem Fall sollte dies auch zu echten Problemen führen.

 

Leitplanken für die Reise

Man startete den Workshop mit der Diskussion der Leitplanken für die neue Organisation – also einem Wertegerüst, an dem man die Leistungsfähigkeit der Organisation immer widerspiegeln konnte. Das waren Themen wie:

  • „FPY“ (First pass yield) muss besser als jenes der Konkurrenz sein,
  • sichtbares Lean Management,
  • hohe Prozessorientierung,
  • Führungskräfte als Vorbild,
  • Kennzahlen wie Umsatz und Gross-Margin, sowie
  • die notwendige Einstellung aller Führungskräfte und Mitarbeiter, dass man die Ziele im Auge behalten muss, obwohl man noch nicht weiß, wie man dort hin kommt.

Die weiteren Monate haben einerseits gezeigt, wie wichtig diese Leitplanken waren, andererseits wie schwierig es war, sie einzuhalten. Eines vorweg – Es hat nicht ganz geklappt.

 

Aufgabenorientierung statt Standesdünkel

Aber zurück zum Workshop. In einem nächsten Schritt haben wir in mehreren Teams, unabhängig von bestehenden Mitarbeitern (also unabhängig von Qualifikation und Anzahl) eine Idealverteilung von Aufgaben, im Lichte der Leitplanken diskutiert. Und zwar in der Zeit-Dimension „in einem Jahr / in drei Jahren“ und in der anderen Dimension „zentral für das Werk / dezentral im Valuestream“. Das war wichtig, da jede anwesende Führungskraft natürlich Mitarbeiter hatte und (verständlicherweise) die Gedanken im Hinterkopf waren: „Was heißt das für meine Mitarbeiter?“ Die Herangehensweise zuerst die Aufgaben zu diskutieren hat bewirkt, dass viele Emotionen außen vor gelassen und die sachliche Diskussion unterstützt wurde.

Wir haben für jeden Funktion wie Logistik, Qualität, Mechanical Engineering und Instandhaltung in den 4 Quadranten:

  • In einem Jahr und zentral (für das ganze Werk)
  • In einem Jahr und dezentral (nur für den Valuestream)
  • In drei Jahren und zentral (für das ganze Werk)
  • In drei Jahren und dezentral (nur für den Valuestream)

Aufgaben zugeordnet und stellten in der Diskussion sicher, dass dies den Anforderungen der Leitplanken und der Valuestream Organisation entsprach.

 

Full Time Equivalent (FTE) – die heiße Diskussion über Köpfe

Bis hierher war es noch relativ einfach zu einem Konsens zu kommen. Spannend wurde es nach 1,5 Tagen, als die Diskussion aufkam, wie viele Mitarbeiter man für diese Aufgaben in einem Jahr / in drei Jahren und in welcher Qualifikation brauche? Das bedeutet,  dass jede der Führungskräfte ein Commitment abgeben und abschätzen musste, wie viele FTE Mitarbeiter sie benötigen, um diese dann mit den Planzahlen des 5 Jahresplanes zu vergleichen.

Das führte zu hitzigen Diskussionen und man traute sich bei diesem Workshop diese Abschätzung (noch) nicht zu. Das Management Team schlug nach 2 Tagen vor, sich in 2-3 Wochen wieder zu treffen, um „vorbereitet“ in die FTE Diskussion zu gehen.

Wir spürten, dass wir nun das Maximum für diese beiden Tage erreicht hatten und stimmten zu, auch um die grundsätzlich positive Stimmung und das gute Momentum nicht zu verlieren. Wie es weiterging und woran sich die Gemüter beim zweiten Workshop massiv erhitzten, erzähle ich beim nächsten Mal – bleiben Sie dran 😉

 

 

Dipl. Ing. Siegfried Neubauer ist Experte bei NeuKurs. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater und wurde vom Institut für Systemische Beratung (ISB) in Wiesloch / Deutschland zertifiziert. Er ist Gründer (2008) der VIST – Vienna International School of Thought, einem international ausgerichteten Managementausbildungsinstitut.

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